Wissenschaftliche Berichte

Unsere wissenschaftlichen Berichte sind theoretisch fundiert und lesen sich ähnlich wie wissenschaftliche Fachzeitschriftenartikel. Im Text werden Kurzverweise für Quellen verwendet, das vollständige Quellenverzeichnis bbefinet sich immer am Ende des Berichts.

Jeder Bericht besteht aus einer Kurzzusammenfassung des untersuchten Spiels, der Lernpotenzialanalyse, der Gefahrenpotenzialanalyse sowie vorgeschlagenen Lernsettings in Unterricht und/oder der Familie. Zur Spielanalyse gehören schließlich Analysen der Spiele-Community (z.B. Twitch-Streams, Youtube-Kanäle) dazu, falls es solche gibt, da Spiele im Sinne der Medienkonvergenz längst nicht mehr nur auf ihre Software beschränkt sind. Aus unseren Analysen und der Sichtung der internationalen Publikationen ergaben sich die folgenden acht Kategorien der Lernpotenzialanalysen, die vor allem aus entwicklungspädagogischer und entwicklungspsychologischer Perspektive untersucht werden. Die Gefahrenpotenziale beziehen sich im Kern auf dieselben Kategorien. Die drei gängigen Kategorien 'Gewalt', 'Multiplayer' und 'Mikrotransaktionen' finden ebenfalls Eingang in die Analysen, allerdings differenzierter, als dies in anderen pädagogischen Beurteilungen der Fall ist. Beispielsweise unterscheiden wir nach Reemtsma (2009) drei Gewaltformen (lozierende, raptive und autotelische Gewalt). Leerstellen in der Forschung werden durch eigene Forschungen triangulativ gefüllt, sodass die Berichte sich ebenfalls als Grundlage für Publikationen in Fachzeitschriften eignen.

In den wissenschaftlichen Berichten finden sich lediglich Kurzoperationalisierungen der für das jeweilige Spiel relevanten Lernpotenziale. Eine ausführliche Operationalisierung findet sich hier:

Wissenszuwachs

Der Wissenszuwachs beschränkt sich auf Wissen, welches sich auf unsere Realität bezieht. Wissen über fiktive Spelwelten, fiktive Charaktere, fiktive Gesellschaften und Ähnlcihes wird nicht berücksichtigt. Wissen über historische und gegenwärtige Informationen über unsere Realität werden auf ihre Richtigkeit, Darstellung und Vollständigkeit hin analysiert und beurteilt. Dies umfasst nicht aussschließlich, doch meistens die folgenden Themen:

  • Sämtliche Faktenwissen: Biographiosche und historische Informationen über Persönlichkeiten, Gesellschaften, Zivilisationen, Flora, Fauna, Ereignisse, Orte, Religionen, Künste, Bauwerke, Technologien, kulturelle Artefakte, Theorien und Praktiken
  • Topographische, geographische und klimatische Informationen über reale und historische Orte
  • Politische, okönomische, ökologische, theologische, technologische, sozialwissenschaftliche, naturwissenschaftliche Theorien und Wissensbestände
  • Wissen um und über verschiedene soziale, technologische, psychologische, mechanische, medienpädagogische und naturwissenschaftliche Kompetenzen
  • Metawissen über digitale Spiele, narrative Design, Programmierung, Modding, Medienkompetenzen

Strategisches und analytisches Denken

Strategisches Denken bezieht sich auf die Fähigkeit, komplexe Probleme systematisch zu lösen. In der Regel werden dafür analytische Fähigkeiten vorausgesetzt, da zur Entwicklung passender Problemlösungsstrategien zunächst das zu lösende Problem analysiert werden muss. Analytische Fähigkeiten beziehen sich zum Beispiel auf logische, philosophische und mechanische Rätsel, die gelöst werden müssen, auf die Fähigkeit, das gegnerische Spielverhalten zu analysieren um daraus sinnvolle Strategien abzuleiten sowie der Analyse der eigenen Performance zur Verbesserung der eigenen Leistung. Strategische Fähigkeiten beziehen sich daher auf Spielsituationen, in denen Entscheidungen über Spielstile (z.B. aggressiv, defensiv, stealth, diplomatisch) getroffen werden. Dies gilt für kooperative und kompetitive Strategien genauso wie für Strategien in Single-Player-Spielen.

Kreativität

Für unsere Analysen haben wir den Begriff 'Kreativität' verhältnismäßig streng operationalisiert als spielerische Handlungen, in denen schöpferisches Handeln geschieht. Schöpferisch meint in diesem Zusammenhang, dass aus Spielelementen, die in der Spielwelt vorhanden sind, durch Zusammensetzung, Trennen, Manipulieren oder Entfremden neue Spielelemente autotelisch geschaffen werden, d.h. ihren Zweck in sich selbst haben und nicht, um ein anderes Ziel zu verfolgen. Dies bedeutet, dass die Auswahl von Frisuren eines Charakters von uns nicht als kreativer Akt analysiert wird, wenn lediglich aus einem vorgefertigten Set an Frisuren eine ausgewählt wird. Die Operationalisierung über die Autotelie ermöglicht es, kreative Handlungen, die einem übergeordneten Ziel entspringen, als strategisches Handeln zu kategorisieren, beispielsweise in Strategiespielen, in denen bestimmte Einheiten auf unkonventionelle oder kreative Art und Weise genutzt werden, um Gegenspieler*innen zu besiegen.

Gedächtnis

Gemäß der Unterscheidung von Arbeits-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis geht es um die Erinnerungsleistung von Spieler*innen. Dabei untersuchen wir Spiele dahingehend, wie häufig und intensiv das Gedächtnis von Spieler*innen beansprucht wird. Dazu gehört das Auswendiglernen von komplexen Strategien genauso wie das sensorische Gedächtnis (muscle memory). Ziel der Analyse ist, das Potenzial der jeweiligen Spiele zur Förderung der Gedächtnisleistung zu evaluieren, insbesondere:

  • Lernstrategien
  • Erinnerungsstrategien
  • Dokumentationsstrategien

Lernstrategien sind Techniken, die es Spielenden erleichtern, alle für das Spiel relevanten Informationen systematisch im Gedächtnis zu speichern. Erinnerungsstrategien begünstigen den aufwandslosen Abruf der gespeicherten Informationen. Dokumentationsstrategien können das Gedächtnis entlasten, indem wichtige Informationen übersichtlich analog oder digital gespeichert werden. Der Leitgedanke ist dabei, dass Spielende Kompetenzen zum Lernen und Informationserwerb erlangen, die auch außerhalb der Spiele (z.B. in der Schule) anwendbar sind.

Konzentrationsfähigkeit

Die Konzentrationsfähigkeit wird von uns unter anderem auch im Zusammenhang der Frustrationstoleranz analysiert. In unseren Analysen beurteilen wir, in welchem Maße Spiele die Konzentrationsfähigkeit von Spielenden beanspruchen. Wir unterscheiden dabei, in welchen Intervallen und wie Intensiv die Konzentrationsleistung von Spieler*innen gefordert wird. Dabei geht es auch um die Charakterisierung der kognitiven Beansprachung, d.h. ob und wann sich Spieler*innen im Verlauf des Spiels mehr oder weniger Konzentrieren müssen, um ggf. stressinduzierende Situationen vorherzusagen. Darüber hinaus untersuchen wir, in welchem Maße das Spiel von sich aus kognitiv entlastende Phasen beinhaltet, d.h. die Konzentration abnehmen und Spieler*innen sich entspannen können, z.B. zwischen einzelnen Spielrunden.

Kommunikative Kompetenzen

Kommunikative Kompetenzen beziehen sich in unseren Untersuchungen ausschließlich auf zwischenmenschliche Kommunikation, d.h. geschriebene, gesprochene, gestikulierte und andere zeichen- und symbolbasierte Sprachformen. Sämtliche Kommunikation mit nichtspielbaren Charakteren (NPCs), Bots oder KIs werden von uns nicht berücksichtigt, da der Fokus auf Potenzialen der Kommunikationsförderung liegt. Insofern kommen lediglich Spiele mit Multiplayerfunktionen für diese Lernpotenzialanalyse in Frage. In unseren Analysen rekonstruieren wir, wie Spieler*innen miteinander kommunizieren. Im Gaming gibt es, wie in allen kulturellen Milieus, ein spezifisches Vokabular, dass sich vor allem durch zwei Besonderheiten charakterisieren lässt. Erstens gibt es auffällig viele Anglizismen, da die meisten Spiele global gespielt werden und daher die Standardsprache Englisch ist. Zweitens ist die Gamersprache von starker Effizienz geprägt, weil gerade in Mulitplayer-Spielen sehr schnelle Reaktionsgeschwindigkeiten benötigt werden und daher auch die Kommunikation zwischen Spieler*innen kurz, prägnant und eindeutig sein muss. Insofern kann auch von einer Rationalisierung der Kommunikation gesprochen werden, die ebenfalls Gegenstand unserer Analysen sind.

Werte- und Normenvermittlung

Digitale Spiele sozialisieren über ihre Inhalte wie Bücher, Zeitschriften, Rundfunk, Film- und Fernsehen und alle anderen informationsträchtigen Medien. Sie unterscheiden sich jedoch von den meisten anderen Medien durch ihre Interaktivität, in dessen Zusammenhang Spieler*innen bisweilen auch immersive Erfahrungen machen können. Wie alle Medien werden auch in digitalen Spielen spezifische Werte und Normen vermittelt. In unserer Analyse geht es darum, sowohl die Vermittlung expliziter als auch impliziter Werte und Normen zu rekonstruieren und zu benennen. Darunter fallen zum Beispiel, aber nicht ausschließlich:

  • Gendersensibilität
  • Gewaltverherrlichung
  • Interkulturalität
  • Kapitalismus
  • Kosmopolitismus
  • Moralität
  • Nationalismus
  • Pazifismus
  • Politische Partizipation
  • Prosoziales Verhalten
  • Religion
  • Sexismus
  • Toleranz
  • Umweltschutz

Die Vermittlung von Werten und normen wird an dieser Stelle des Berichts benannt und kritisch hinsichtlich ihrer sozialisatorischer Wirkung analysiert. Beispielsweise werden in einigen Rollenspielen Konflikte zwischen verschiednen Kulturen explizit thematisiert, in dem man etwas über die Hintergründe des Konfliktes erfährt. Doch auch implizit werden in Spielen Werte und Normen vermittelt, beispielsweise wenn völlig selbstverständlich Frauen die in unserer Realität als typische "Männerberufe" geltenden Arbeiten ausüben, ohne dass dies jemals als Besonderheit im Spiel thematisiert wird. Auch normativ als negativ zu erachtende Werte wie Sexismus können durchaus medial vermittelt werden, was ebenfalls in unsere Analyse mit einfließt.

Motorische Kompetenzen

Hierbei geht es um Reaktionsgeschwindigkeiten, fein- und grobmotorische Aktionen vor allem mit Händen, Arme, Kopf und Oberkörper und inwiefern Spiele Förderungsmöglichkeiten darstellen können. Wir untersuchen, wie anspruchsvoll motorische Operationen für Spieler*innen beim Spielen sind. Dabei unterscheiden wir auch zwsichen casual gameplay und sportlicher Aktivität, da im Grunde jedes Spiel gemütlich gespielt werden kann. Spätestens für das kompetitive Spiel müssen Spieler*innen schnelle Reaktionszeiten und eine hohe ApM (Actions per Minute) aufweisen können, um in einer Rangliste mitzuspielen. Dafür wird in der Regel ein zeitlich aufwendiges Training benötigt, das ein gewisses Maß an Disziplin und Motivation voraussetzt.