Konzeption
Philosophie ist nach traditionellem Verständnis das Streben nach einem integralen Wissen alles Wißbaren. Philosophie sucht nach einer Orientierung im Wissenskosmos der Einzelwissenschaften. Dieses Wissen dient zur Erkenntnis der den Wissenschaften zugrundeliegenden Weltbilder. Gleichzeitig geht mit dieser Orientierung ein Entwurf dessen einher, was ethisches Handeln bedeuten soll.
Das philosophische Konzept hinter diesem Forschungsprogramm beruht auf der Vorstellung, daß wissenschaftliche Theorien immer schon mit Handlungsnormen verknüpft sind, die den Erklärungswert angeben, den die Theorien für das Handeln in der Forschung und in der Gesellschaft ganz allgemein haben. Theorien sind Entwürfe der Welt, die für die Praxis formuliert werden und in der Praxis ihren Erklärungswert erweisen müssen. Die systematischen und historischen Entwicklungen von Theorien folgen Gesetzmäßigkeiten, die durch theorieninterne Bedingungen geprägt werden.
Die Entwicklungsgesetze von Theorien werden deutlich, wenn man berücksichtigt, daß Theorien Begriffsgefüge sind. Begriffe können Bedeutungsverschiebungen erleiden. Sie werden im Wandel der Zeiten ausdifferenziert; es finden Umwertungen von Begriffen innerhalb des Theorienkontextes statt, und implizite Konnotationen von Begriffen erlauben sogar Äquivokationen. Diese Änderungen der Begriffe führen zu Änderungen der Theorien.
An der Differenziertheit der theoretischen Begriffe, die die wissenschaftliche und gesellschaftliche Praxis bestimmen, hängt nicht unwesentlich die Qualität einer Kultur. Unsere Kultur ist durch Differenziertheit technischer Begriffe geprägt. Das wissenschaftshistorische und philosophiegeschichtliche Material stellt das empirische Untersuchungsfeld für philosophische Erörterungen der Entwicklungsmöglichkeiten von Theorien dar.
In diesem Sinne erlaubt das historische Studium wissenschaftlicher Theorien Aussagen über mögliche Entwicklungstendenzen gegenwärtiger Theorien. Solche Voraussagen können als theoretische Grundlage für Entscheidungen und Planungen zukünftiger Programme für Forschung und Entwicklung in Wirtschaft, Naturwissenschaft und Technik herangezogen werden.
Wissenschaftliche Theorien werden in einem gesellschaftlichen Rahmen formuliert und enthalten insofern Handlungsanweisungen und ethische Normen, die in der Ethik ihre Begründung und Legitimität finden müssen. So entstehen wechselseitige Begründungszusammenhänge von Theorien und Handlungsnormen, die insbesondere für Technikfolgenabschätzung und die Bewertung biologischer und chemischer Technologien (Ökologie) relevant sind.
Philosophie muß die möglichen Entwicklungstendenzen von Theorien und ihren Implikationen für die jeweiligen Kulturen versuchen aufzuklären. Sie muß zum Selbstverständnis der Wissenschaften die Konnotationen der Begriffe verdeutlichen und die Allgemeingültigkeit beziehungsweise die Reichweite von Handlungsnormen erfragen.
Die systematische und historische Modellierung von Denkkonzepten und die Analyse zentraler Begriffe der Wissenschaften können so zu einer Integration einzelwissenschaftlicher Studien beitragen.