Wilhelm-Schapp-Forschungsstelle

Dem philosophischen Werk Wilhelm Schapps kommt in den letzten 20 Jahren ein verstärktes Interesse zu. Der Philosoph Wilhelm Schapp (1884-1965) gehört zu denjenigen Philosophen, die sich nicht im Elfenbeinturm des reinen Denkens einschlossen, sondern mitten im Leben standen und aus der Lebenswelt heraus und über diese philosophieren. In philosophischen Kreisen wurde der Name Wilhelm Schapp zumeist mit dem Namen Edmund Husserl und der von ihm begründeten Denkrichtung (die sog. Phänomenologie) verknüpft. Wilhelm Schapp gehört zum engsten Kreis der frühen Phänomenologen in Göttingen, unter der Betreuung Edmund Husserls verfasste Schapp seine Dissertation Beiträge zur Phänomenologie der Wahrnehmung (1910). Er löste sich jedoch früh von den Lehren der von ihm so bezeichneten ‚klassischen Phänomenologie‘ und entwickelte im Laufe der Jahre einen eigenständigen Ansatz, nämlich den der sogenannten Geschichtenphilosophie.

Die Geschichtenphilosophie wird mittlerweile im interdisziplinären Kontext – zu nennen sind hier übergreifend die Kulturwissenschaften, im spezifischen die Psychologie, die Soziologie, die Theologie, die Literaturwissenschaft – verstärkt rezipiert, insbesondere im Rückgriff auf die narrativen Implikationen des geschichtenphilosophischen Ansatzes. Die Grundthese der Geschichtenphilosophie ist, dass der Mensch immer schon in Geschichten verstrickt ist – wobei Geschichten hier in viel weiterem Sinne, als der Gedanke an literarische Erzählungen nahelegen könnte, zu begreifen sind, das Verstricktsein begreift Schapp in einem ontologischen Sinn. Schapp selbst publizierte zu Lebzeiten drei Schriften, die seine Geschichtenphilosophie entfalten: In Geschichten verstrickt. Zum Sein vom Mensch und Ding (EV: 1953), Philosophie der Geschichten (EV: 1959) und Metaphysik der Naturwissenschaft (EV: 1965). In diesen legt Schapp das anthropo-ontologische Grundphänomen des In-Geschichtenverstricktseins dar, wozu neben der historischen Dimension mit ihrem Aufweis der stetig sich fortsetzenden Geschichtenvergessenheit innerhalb der abendländischen Kulturgeschichte auch die systematische Dimension mit ihrem Aufweis der Formen, der Strukturelemente und der Inhalte des In-Geschichten-Verstricktseins gehören. Am Ende der Philosophie der Geschichten ist ein Ziel der Geschichtenphilosophie zu lesen:

„Wenn man aber fragt, was wir mit unseren Überlegungen bezwecken, […] so mag man das, was wir vortragen, für den Entwurf einer Allgeschichte nehmen, in der alle Völker und Kulturen Platz haben. Es würde uns genügen, wenn alle fühlen würden, daß wir in einem Boot fahren, etwas mehr als Schiffbrüchige im Nichts und als solche zusammenhalten müssen.“

Forschungsstelle

Die Wilhelm-Schapp-Forschungsstelle wurde 2007 gegründet. Zunächst war sie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und ab 2013 an der Universität Kassel angesiedelt. Seit 2018 ist sie am Fachgebiet Philosophie der Technischen Universität Kaiserslautern situiert.

Die Wilhelm-Schapp-Forschungsstelle sichtet und ediert schrittweise den mehr als 20.000 Seiten umfassenden Nachlass Wilhelm Schapps in Teilen. Der Nachlass, der den Zeitraum 1920 bis 1965 umfasst, befindet sich größtenteils im Archiv der Bayerischen Staatsbibliothek. Er enthält maschinenschriftliche Dokumente, Manuskripte, handschriftliche Notizen, veröffentlichte und unveröffentlichte Artikel sowie Korrespondenzen mit u. a. Rudolf Smend, Hermann Noack, Roman Ingarden, Friedrich Kambartel, Alexander Pfänder und Alexander Spiegelberg.

Seit 2016 werden kontinuierlich Teile des Nachlasses in der Reihe: Wilhelm Schapp. Werke aus dem Nachlass im Verlag Karl Alber veröffentlicht.

Kontakt

Leiterin: Prof. Dr. Karen Joisten Geschäftsführerin: Dr. Nicole Thiemer

Erwin-Schrödinger-Straße
Gebäude: 57
Raum: 578
67663 Kaiserslautern

Postfach: 3049

Tel.: +49 631 205-3969

Fax: +49 631 205-3821

E-Mail: thiemer@sowi.uni-kl.de

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