Dr. Gerhartz, Ingo Werner

Universität

ab 1999 Studium der Philosophie und Griech. Philologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

2008 Magister Artium der Philosophie und Griechischen Philologie.
Magisterarbeit: „Dionysos gegen den Gekreuzigten – Über das Verhältnis des Dionysischen bei Friedrich Wilhelm Nietzsche zu Hans Jonas‘ Konzeption gnostischen Denkens“ (unveröffentlicht)

2014 Juniormitglied der Gutenberg-Akademie für den wissenschaftlichen Nachwuchs

2014 Promotion (magna cum laude) am Lehrstuhl für Praktische Philosophie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Dissertation: „Tragische Schuld – Philosophische Perspektiven zur Schuldfrage in der griechischen Tragödie“ (Erstgutachter: Univ.-Prof. Dr. Stephan Grätzel, Praktische Philosophie; Zweitgutachter: Univ.-Prof. Dr. Jochen Althoff, Griechische Philologie)

2015-2020 Lehrbeauftragter am Arbeitsbereich für Praktische Philosophie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Seit 2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Philosophie am Fachbereich Sozialwissenschaften der TU Kaiserslautern, Center for Ethics and the Digital Society (CEDIS)

Ausgehend von einer Diagnose politisch-ökonomischer Akrasie (griech. akrasia: Willensschwäche, Unbeherrschtheit, Handeln wider besseres Wissen) angesichts der globalen Klimakrise erforscht das Projekt die Möglichkeiten einer Anwendung von Prinzipien und Techniken der Narrativen Ethik auf das vom Inklusionsproblem dominierte Gebiet der Naturethik. Während dort die Mehrheit anthropozentrischer wie auch physiozentrischer Positionen die Übertragung tradierter moralischer Normen von der menschlichen Gesellschaft auf nicht-menschliche natürliche Entitäten unter Voraussetzung der anthropologischen Differenz zu begründen versuchen, führt die Identifikation mit dem Naturganzen im Sinne der Ökologie diese Voraussetzung ad absurdum, stellt unser Selbstverständnis jedoch vor gewaltige Herausforderungen.

Hier bietet die aristotelische Auseinandersetzung mit Akrasia im siebten Buch der Nikomachischen Ethik einen alternativen Lösungsweg: die Entwicklung der Fähigkeit zur Gestaltung ethischer Grundhaltungen (hexis) als Bedingung der Möglichkeit ethischen Handelns. Diese artifizielle Hervorbringung eines ethos (etho-poiein), wörtlich zu übersetzen als 1. Charakter (Figur) 2.  Sitte (Habitus) 3. Wohnstätte (Habitat), bildet das Kernstück der Narrativen Ethik im Sinne der Gestaltung narrativer Identität mittels „Refiguration der Handlung durch die Erzählung“ (Paul Ricœur). Eine derart ökologisch erweiterte „Verstrickung“ in Geschichten eröffnet den Zugang zu einer veränderten Weise der Selbstbestimmung des Menschen als Teil der Natur gemäß der aristotelischen Definition des von Natur (physei) Seienden als „enthaltend in sich den Ursprung (arche) der Bewegung“ (Arist. Physik 192b) durch die natürliche Künstlichkeit etho-poietischer Selbstgestaltung, insofern der Ursprung dieser hervorbringenden Tätigkeit (poiesis) im hervorbringenden Subjekt liegt, welches hier zugleich Kunstwerk und Objekt seiner selbst ist.

So kann analog zur Kultivierung der tragischen Affekte von Furcht als Antizipation (Sorge) und Mitleid als Identifikation (sym-pathein) in der Poetik des Aristoteles die Hervorbringung nachhaltiger Grundlagen des Handelns – im Sinne einer „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Brundtland 1987) – als selbstreferentielle Feedbackschleife auf drei interdependenten Ebenen beschrieben werden: Ökologische Gestaltung des ethos als Wohnstätte (Habitat) durch Autopoiesis (Selbstorganisation) ermöglicht politisch-soziale Gestaltung des ethos als Sitte (Habitus) durch Autonomie (Selbstgesetzgebung) ermöglicht ökonomische Gestaltung des ethos als Charakter (Figur) durch Autarkie (Selbstgenügsamkeit).

Forschungsschwerpunkte

  • Narrative Ethik: Mythologie, Poetik und Geschichtsphilosophie
  • Antike Philosophie und deren moderne Rezeption
  • Naturphilosophie & philosophische Ökologie
  • Rechtsphilosophie & Philosophie der Schuld

Vorträge

  • Ökologische Ethik – warum tun wir nicht, was wir tun sollen? Vortrag vom 8.3.2021 in der Reihe Klimawandel und Gesellschaft, Parents/Scientists4Future für die vhs Mainz
  • Mythology: Vortrag vom 21. Aug. 2018, Workshop „Development of interdisciplinary and intercultural curricula in Practical Philosophy, philosophy of culture and didactics of philosophy and ethics“ (international cooperation with the department of humanities of the University of Wasit, Iraq)
  • Existential Guilt and Autonomy: Vortrag vom 13. März 2017 zur Tagung „Felix Culpa – Toward a Theory of Productive Guilt“, ZiF Bielefeld
  • Mythos, Philosophie, Ursprung: Vortrag vom 2. Feb. 2017, Ringvorlesung des Philosophischen Seminars der JGU Mainz

Veröffentlichungen

Ettore Barballo, Ingo W. Gerhartz, Nicole Thiemer (Hgg.): Erzählhorizonte. Inter- und transdisziplinäre Herausforderungen einer narrativen Ethik, J.B. Metzler (Reihe: Ethik – Mensch – Technik), 2023.

Gerhartz, Ingo Werner: Narrative Naturethik, in: Ettore Barballo, Ingo W. Gerhartz, Nicole Thiemer (Hgg.): Erzählhorizonte. Inter- und transdisziplinäre Herausforderungen einer narrativen Ethik, J.B. Metzler 2023.

Gerhartz, Ingo Werner: Philosophische Dimensionen des Spielens im digitalen Kontext. In: Karen Joisten: Selbstverständlich digital!? Springer Nature (Reihe: Ethik – Mensch – Technik). (Im Erscheinen)

Tragische Schuld. Philosophische Perspektiven zur Schuldfrage in der griechischen Tragödie, Verlag Karl Alber 2016. (Online abrufbar unter diesem Link)

Freedom as a Problem, in: Journal of Unsolved Questions, Vol. 3, Issue 2, July 2013. (Online abrufbar unter diesem Link)

Kontakt

TU Kaiserslautern (TUK) Fachgebiet Philosophie --- Bereich Sozialwissenschaften

Dr. Gerhartz, Ingo Werner
Erwin-Schrödinger-Straße
Gebäude: 57
Raum: 574
67663 Kaiserslautern

Postfach: 3049

Tel.: +49 631 205-3822

Fax: +49 631 205-3821

E-Mail: gerhartz(at)sowi.uni-kl.de